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Externe Konflikte und islamistische Radikalisierung. Eine Analyse zum Einfluss des Bosnienkrieges auf die islamistischen Radikalisierungsprozesse in Deutschland

Von Sinja Hantscher.

Auszug:

Das Papier befasst sich mit der Problematik, welche Folgeerscheinungen die externen Interventionen europäischer Länder in als Dschihad interpretierte Konflikte haben. Dem vorliegenden Beitrag liegt hierbei die Hypothese zugrunde, dass eine Intervention in einen als Dschihad interpretierten Konflikt, einen Radikalisierungsprozess im Entsendeland hervorrufen kann.

Als Fallstudie dient der Bosnienkrieg in den 1990ern, der sich durch tausende foreign fighters auszeichnete, die sich dem Krieg auf Seiten der bosnischen Muslime anschlossen. Die dort entstandenen islamistischen Gruppierungen reisten nach Kriegsende in andere dschihadistische Kampfstätten oder gründeten eigene Zellen in ihren Heimatländern. Als zweite Hypothese wird daher angenommen, dass dem Krieg in Bosnien eine elementare Bedeutung für das Aufkommen gewaltbereiter islamistischer Radikalisierung in vielen europäischen Ländern – so auch in Deutschland – zukommt.

In diesem Beitrag wird der Radikalisierungsstandort Deutschland im Hinblick auf den Bosnienkrieg wissenschaftlich erfasst. Der Auswahl auf den Referenzort Deutschland liegt das Forschungsdesiderat zugrunde, das bezüglich des Radikalisierungspotenzials des Bosnienkrieges im deutschen islamistischen Milieu vorherrscht. Zugleich beschränkt sich das Papier auf ein islamistisches Umfeld in Deutschland, nämlich auf die Individuen einer islamistischen Gruppierung in Neu-Ulm. Während der Einfluss des Krieges in den 1990er Jahren zentral steht, wird parallel die längerfristige radikalisierende Wirkung auf das Neu-Ulmer Umfeld aufgezeigt. Der Nutzen von Trainingscamps Anfang der 1990er Jahre lag in der Radikalisierung und dschihadistischen Kampfausbildung, wobei das Papier die gleichbleibende Bedeutung der Camps sowie ihre militarisierende Wirkung auf die Islamisten bis heute aufzeigt. Der Beitrag richtet zudem den Fokus auf die Bedeutung der Rückkehrer für die islamistische Radikalisierung in Deutschland. Die Analyse ermöglicht ein besseres Verständnis der Art und Wirkungsweise von islamistischer Propaganda auf die Neu-Ulmer Gruppierung. In der Langzeitanalyse ist ein wiederkehrendes Muster bei den Islamisten zu erkennen, das sich in einem Trainingscamp-Aufenthalt, in der darauffolgenden Rückkehr als Veteran und im Engagement bei der Rekrutierung und Propaganda verdeutlicht.

Als Ausblick dieser Analyse steht die Einschätzung, dass auch die aktuell im Internet zur Verfügung stehende islamistische Propaganda eine ähnliche emotionale Reaktion unter sich radikalisierenden Personen auslösen kann wie die Propaganda der 1990er Jahre zu Zeiten des Bosnienkrieges. Die Solidarität, die die muslimische Minderheit in West-Europa gegenüber den bosnischen „Brüdern und Schwestern“ empfand, lässt sich hierbei problemlos auf jüngere Konfliktherde wie z.B. Syrien übertragen.

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